Verbändestellungnahme
Gesetzentwurf zur Änderung des Lobbyregistergesetzes (20/7346)
Politische Interessenvertretung in den verschiedensten Formen und Inhalten ist ein wesentliches Element des demokratischen Willensbildungsprozesses. Der erforderliche Austausch zwischen Politik und Interessenver- treter:innen ist für beide Seiten ein wichtiger Grundpfeiler bei der Entstehung von Gesetzen und für politische Entscheidungen.
Aufgabe der Politik ist es, bei ihren Entscheidungen unterschiedliche Interessen einzubeziehen und tragfähige Kompromisse zu finden. Eine frühzeitige und umfassende Einbindung aller Stakeholder ist dafür von zentraler Bedeutung.
Die Einführung des Lobbyregisters 2022 war ein wichtiger und richtiger Schritt, um diese Prozesse transparent zu machen und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Politik und die Entscheidungsprozesse von Parlament und Regierung zu stärken.
Transparenz in der politischen Interessenvertretung erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der einerseits deutlich macht, wer wessen Interessen vertritt und außerdem offenlegt, wer sich mit welchem Inhalt in ein Gesetzge- bungsverfahren eingebracht hat. Daher ist auch die im Koalitionsvertrag beabsichtigte Einführung eines exekutiven Fußabdrucks zu begrüßen.
Das Lobbyregister ist der falsche Ort für den politischen Fußabdruck
Der aktuelle Gesetzentwurf sieht die Angabe konkreter Gesetzes- und Verordnungsvorhaben sowie Hochladen von „grundsätzlichen“ Stellungnahmen und Gutachten, also eine Dokumentationspflicht aufseiten der Interessen- vertreter:innen, vor.
Aufgrund des unklaren und schwer zu definierenden Begriffs der „grundsätzlichen Stellungnahmen“ in Verbin- dung mit der geplanten „unverzüglichen“ Aktualisierung würde dies jedoch einen enormen bürokratischen Aufwand mit sich bringen. Bereits ohne diese geplante Regelung zur Dokumentation der „bezweckten Einfluss- nahme“ ist angesichts der Vielzahl an strukturellen Änderungen im LobbyRG mit erheblichem Mehraufwand für Interessenvertreter:innen zu rechnen.
Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des politischen Fußabdrucks empfehlen wir daher ein anderes Vor- gehen. Als Vorlage halten wir den Entwurf des BMI unter Einbezug des BMJV aus dem Jahr 2020/2021 für ein geeignetes Verfahren. Der exekutive Fußabdruck sollte in der jeweiligen Gesetzesbegründung enthalten sein, aus der hervorgeht, wer sich mit welchen Inhalten im Rahmen der Vorbereitung der Referenten- und Gesetz- entwürfe wesentlich eingebracht hat.
Bereits heute werden Stellungnahmen von Interessenvertreter:innen auf der Webseite des jeweiligen Ministe- riums veröffentlicht. Das ist mittlerweile auch Grundlage dafür geworden, sich überhaupt mit Stellungnahmen einbringen zu dürfen. Es fehlt jedoch eine zentrale Seite der Bundesregierung, an der alle Referentenentwürfe und deren Stellungnahmen gesammelt, aufgelistet und nach Gesetz, Ministerium oder Interessenvertreter sortiert werden.
Diese zentrale Plattform der Bundesregierung sollte auch für das im Koalitionsvertrag vereinbarte Onlinekonsul- tationsverfahren genutzt werden. Hierüber könnten sich Interessenvertreter:innen einerseits am Gesetzgebungs- prozess beteiligen und andererseits ihre Stellungnahmen transparent veröffentlichen.
Mithilfe der verpflichtend anzugebenden Lobbyregisternummer könnte anschließend das jeweilige Gesetzes- vorhaben im Lobbyregistereintrag der Interessenvertreter:innen aufgelistet und für alle transparent auf die Stellungnahme verlinkt werden.
Hierdurch würde das Gesetzesziel erreicht und alle wesentlichen Informationen (konkrete Gesetzes- und Verordnungsvorhaben, Stellungnahmen von grundsätzlicher Bedeutung in maschinenlesbarer Form, Adressat:in, Zeitpunkt) zu dem Gesetzgebungsprozess im Lobbyregister dokumentiert werden. Gleichzeitig würde sich der bürokratische Erfüllungsaufwand erheblich reduzieren.
Höhe der Mitgliedsbeiträge ist als Indikator für den Grad der Einflussnahme ungeeignet
Neben der Frage, wer sich mit welchem Inhalt in ein Gesetzgebungsverfahren eingebracht hat, ist für die Transparenz in der politischen Interessenvertretung von ebenfalls zentraler Bedeutung, wer wessen Interessen vertritt. Wesentlicher Indikator hierfür ist die Herkunft der finanziellen Zuwendungen. Der Gesetzentwurf sieht jedoch zusätzlich eine Veröffentlichung der Höhe der Mitgliedsbeiträge in Stufen von 10.000 Euro ab 10 Prozent der Gesamtsumme der Mitgliedsbeiträge vor.
Hieraus ergeben sich insbesondere für zahlreiche Verbände kartellrechtliche Probleme. Gleichzeitig würde diese Veröffentlichungspflicht einen unverhältnismäßigen Eingriff in Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen, zumal es sich bei der Höhe der Beiträge um einen ungeeigneten und irreführenden Indikator handelt.
Bei der von der Koalition anvisierten Anlehnung an die EU-Regelung wird übersehen, dass auf EU-Ebene die 10-Prozent-Regel für Mitgliedsbeiträge bei kommerziellen Interessen aus guten Gründen explizit nicht gilt.
Kartellrechtliche Problematik
Bei Wirtschaftsvereinigungen und Verbänden basiert der Mitgliedsbeitrag aus Gründen der Beitragsgerechtigkeit in der Regel auf speziellen marktnahen Wirtschaftskennzahlen (wie beispielsweise Absatzmengen), die handelsrechtlich nicht veröffentlichungspflichtig sind. Anhand der Beitragsordnung können daher durch die Veröffentlichung des Mitgliedsbeitrages in Schritten von 10.000 Euro gerade bei kleineren spezialisierten Verbänden Rückschlüsse auf Umsätze und Marktanteile geschlossen werden, was zu erheblichen kartellrechtlichen Problemen führen kann.
Unverhältnismäßiger Eingriff in Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
Ein noch viel größerer Kreis der Betroffenheit ergibt sich durch die mit der Veröffentlichung verbundenen unverhältnismäßigen Eingriffe in Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Schließlich werden zur Berechnung der Mitgliedsbeiträge wirtschaftliche Kennzahlen von Unternehmen verwendet, die – auch nach handelsrechtlichen Vorgaben – grundsätzlich nicht veröffentlicht werden. Entsprechend ist diese Information auch von wirtschaft- lichem Wert für die Unternehmen, sodass ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse beispielsweise angesichts möglicher Rückschlüsse auf Umsätze in (Teil-)Märkten besteht.
Existenzbedrohung vor allem für kleine Verbände
Die Pflicht zur Veröffentlichung dieser sensiblen Informationen birgt gerade bei Verbänden mit wenigen Mitgliedern die Gefahr, dass Mitglieder austreten, weil sie diese Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht veröffentlichen möchten. Den Verbänden könnte so ihre Finanzierungsgrundlage entzogen werden, womit die Gefahr der Auflösung dieser Verbände verbunden wäre. Dies wiegt umso schwerer, als dass die Koalitions- fraktion ihrem Gesetzentwurf die Veröffentlichung von Spenderüber 20.000 Euro mit der Begründung, dass diese einen „erheblichen Spendenrückgang“ prognostiziert hätten, gestrichen hat. Während hier die neue 10-Prozent-Regelung de facto dazu führt, dass spendenbasierten Organisationen keine Großspendermehr veröffentlichen müssten, würde diese Regelung mitgliederbasierte Organisationen unverhältnismäßig hart treffen.
Ungeeigneter und irreführender Indikator
Die Mitgliedschaft in Verbänden ist mit klaren Rechten (Stimmrecht) und Pflichten (Beitragszahlung) verbunden, die für alle gleichermaßen gelten. Bei der Festlegung der Mitgliedsbeiträge wird für alle Mitglieder die gleiche Berechnungsgrundlage angewendet. Wie auch bei Parteien unterscheiden sich daher die Mitgliedsbeiträge in der Höhe, ohne dass damit Rückschlüsse auf die Einflussmöglichkeiten in der Partei bzw. in dem Verband gezogen werden können. Es kommt also – wie bei Parteien – auf die Partizipation und die Ausübung des Stimmrechts an, was wiederum auf subsidiär-demokratischen Mitgliederstrukturen basiert.
Zudem ist Interessenvertretung nur eine von vielen Funktionen von Verbänden. Schließlich bezahlen Mitglieder vor allem auch für exklusive Dienst- und Serviceleistungen (z.B. Rechtsberatung, Messen) oder eine große Reihe weiterer Aufgaben, die im Mitgliedsbeitrag enthalten sind. Je nach Präferenz gibt es Mitglieder, die weniger bezahlen und sich intensiv einbringen oder solche, die mehr bezahlen, aber primär die Serviceleistungen nutzen. So würde in den meisten Fällen unterschiedlicher Einfluss suggeriert, der nicht vorhanden ist. Folglich ist die Höhe des jeweiligen Mitgliedsbeitrages als Indikator nicht valide und ungeeignet, um unterschiedlichen Einfluss abzuleiten.
Selbst unter der Annahme, die der Gesetzesbegründung (S. 31) zugrunde liegt, dass ein Mitglied mit über 10 Prozent Anteil an der Summe der Mitgliedsbeiträge „maßgeblichen Einfluss hat“, wäre die Nennung des Namens, der Firma oder der Bezeichnung hinreichend und eine Veröffentlichung der Beitragshöhe – auch in Schritten von 10.000 Euro – nicht erforderlich und würde die oben dargestellten Eingriffe nicht rechtfertigen.
Entscheidend für Transparenz sind Herkunft und Name, nicht die Höhe des Beitrags. Wir empfehlen daher, die Angaben zu Mitgliedsbeiträgen auf die Nennung der Herkunft zu beschränken, sofern diese auf einen Beitrags- zahler bezogen den Gesamtwert von 10 Prozent der jährlichen Beitragssumme des Verbandes übersteigt.
Empfehlungen:
- Einführung eines exekutiven Fußabdrucks sowie Online-Konsultationsverfahrens mit Schnittstelle zum Lobbyregister.
- Veröffentlichung der Herkunft von Mitgliedsbeiträgen über 10 Prozent der jährlichen Beitragssumme in Form von Namen, Firma oder Bezeichnung des Beitragszahlers.