Digitaler Produktpass/Ökodesign-Verordnung
Sehr geehrter Herr Bundesminister,
aktuell wird auf EU-Ebene intensiv über einen Verordnungsentwurf zu den Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte (Ökodesign-Verordnung, ESPR) verhandelt, welcher das Konzept des Digitalen Produktpasses (DPP) einschließt.
In dieser Angelegenheit nehmen wir Bezug auf den Ihnen vorliegenden Brief der sechs Industrieverbände „Ökodesignverordnung / Digitaler Produktpass“ vom 13.09.2023 (WWE/JRDE). Die Verbände fordern in diesem die Streichung der ISO-Normen (insbesondere betroffen: ISO/IEC I5459-Normen) aus der Verordnung mit der Begründung für mehr System-Offenheit.
Wir bitten Sie, dem Vorschlag der Streichung der ISO/IEC 15459 Norm nicht zu folgen, denn unseres Erachtens wird mit der Streichung das Gegenteil bewirkt.
Durch die Streichung aller ISO-Normen in der Verordnung wird gelebte Interoperabilität verhindert und die Verbreitung von proprietären Systemen ermöglicht. Proprietäre Systeme können in konsumnahen Bereichen insbesondere durch chinesische oder amerikanische Plattformen dominiert werden. Die Streichung der Normen hat zur Folge, dass chinesische und amerikanische Plattformen folglich gestärkt werden. Darüber hinaus müsste jede Industrie entlang der Wertschöpfungsnetzwerke eine eigene Sprache zur Identifikation aushandeln und einführen. Dies bedeutet detailliertere Diskussionen über spezifische Sektoren. Der ESPR ist zudem ein horizontaler Rechtsakt, hier bedarf es klarer Angaben über das zu verwendende Kennzeichnungssystem.
Aus diesen Gründen ist die Nutzung von offenen Standards wie der ISO/IEC 15459 zwingend erforderlich, weil sie Grundsätze enthält, die Interoperabilität und Plattformunabhängigkeit ermöglichen, wenn Datenbarrieren zu entstehen drohen.
Weiterhin hat die EU bereits einen DPP für Batterien genehmigt, in dem in Art. 77 Punkt 31 explizit auf die Verwendung von ISO/IEC I5459-Normen verwiesen wird.
Die überwiegende Mehrheit der deutschen Unternehmen nutzt die ISO/IEC-Prinzipien sowohl in den Produktionslinien als auch in den Verkaufsstellen des Handels. ISO/IEC 15459 wird seit 1999 weltweit und branchenübergreifend eingesetzt. Auch die Online-Marktplätze beziehen sich auf diese Identifikationsstandards.
Zudem legte Deloitte in einer Studie2 dar, dass der fehlende Verweis auf diese Norm und die mangelnde Angleichung der sektoralen Wirtschaftskreise an die ISO/IEC-Grundsätze 0,1% des BIP der EU kosten werde.
Die Unterzeichnenden erkennen, dass digitale Produktpässe den Fluss veränderlicher und komplexer Informationen entlang von Wertschöpfungsketten aber auch den Zugang von Verbraucher:innen zu relevanten Informationen verbessern können. Diese Lösung muss jedoch übergreifend gedacht und anwendbar gemacht werden. Auch Hersteller und Händler aller Produkte, die nicht in den Anwendungsbereich der ESPR fallen, sollten die Möglichkeit haben, digitale Produktpässe über digitale Plattformen freiwillig einzuführen.
Sehr geehrter Herr Bundesminister, wir appellieren eindringlich an die Beibehaltung der ISO/IEC 15459-Normen in der Verordnung über die Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte (Ökodesign-Verordnung) für mehr Interoperabilität sowie Planungs- und Investitionssicherheit – insbesondere auch nachdem die Europäische Kommission und das Parlament bereits dafür gestimmt haben.
Gerne stehen wir Ihnen für Gespräche zur Verfügung
Mit freundlichen Grüßen
1 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:32023R1542
2 https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/pl/Documents/Reports/pl_Impact_of_international_open_standards_on_circularity_in_Europe_April2022_2.pdf
Gleichlautendes Schreiben ergeht an:
– Frau Bundesministerin Steffi Lemke, MdB
– Herrn Bundesminister Wolfgang Schmidt
– Herrn Bundesminister Volker Wissing, MdB
– die EU-Vertretungen der Unterzeichnenden in Brüssel