Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
Unternehmen und Mitbestimmungsorgane der Ernährungsindustrie sind besorgt über die Höhe der Strompreise in Deutschland und die hinreichende Verfügbarkeit dieses Energieträgers, der für den Transformationsprozess zu einer klimaneutralen Industrie erforderlich ist. Wir leiten daraus folgende Erfordernisse ab:
1. Entlastungserfordernis der gesamten Branche Rechnung tragen
Die deutschen Strompreise liegen weiterhin auf einem extrem hohen Niveau. Ausländische Wettbewerber, mit denen die deutschen Nahrungsmittelhersteller sowohl auf dem Inlandsmarkt als auch den Exportmärken konkurrieren, werden mit weitaus geringeren Energiepreisen bzw. -kosten belastet. Dies begründet einen Standortnachteil der auf Dauer dazu führt, dass auch in der Ernährungsindustrie Investitionsentscheidungen vermehrt gegen hiesige Standorte getroffen und zunehmend Standortverlagerungen sowie Unternehmens- veräußerungen in Betracht gezogen werden können.
Aktuelle Überlegungen, die davon ausgehen, dass über einen gedeckelten Industriestrompreis nur eine kleine Gruppe energieintensiver Wirtschaftszweige im internationalen Wettbewerb erfasst werden soll, gehen aus unserer Sicht in die falsche Richtung. Dadurch würden andere Branchen, die ebenfalls unter den hohen Strompreisen leiden und im internationalen Wettbewerb stehen, benachteiligt.
Erforderliche Entlastungen müssen deshalb alle Stromverbraucher erfassen. Dies lässt sich in unbürokratischer Weise bewirken, indem noch bestehende Umlagen auf den Strompreis und die Stromsteuer temporär abgesenkt werden. Die Reduktion der Netzentgelte stellt einen zusätzlichen Ansatz dar. Eine bedarfsentsprechende weitergehende Förderung energieintensiver Branchen bleibt davon unberührt.
2. Spitzenausgleich bei der Strom- und Energiesteuer fortsetzen
Dem aktuellen Haushaltsentwurf der Bundesregierung ist zu entnehmen, dass eine Fortführung des Spitzenausgleichs über den 31.12.2023 hinaus nicht vorgesehen ist. Der Wegfall dieser seit 2002 bestehenden Steuervergünstigung würde dazu führen, dass sich die Energiekosten für die betroffenen Unternehmen in einer Größenordnung von insgesamt bis zu zwei Milliarden Euro erhöhen. Dies würde zahlreiche Wertschöpfungs- ketten finanziell zusätzlich belasten.
In einer Zeit, die durch eine Energiepreiskrise und wirtschaftliche Unwägbarkeiten bis hin zu Existenzgefähr- dungen von Unternehmen gekennzeichnet ist, hat dieses politische Signal eine fatale Wirkung. Der durch den vorliegenden Haushaltsentwurf entstandene Eindruck sollte deshalb schnellstmöglich durch ein Bekenntnis zur Verlängerung des Spitzenausgleichs korrigiert werden.
3. Dekarbonisierung der Industrie mit einem zukunftsfähigen Energiekonzept
unterlegen
Die Unternehmen der Ernährungsindustrie haben ein grundsätzliches Interesse, auch zukünftig und dauerhaft Nahrungsmittel in Deutschland herzustellen. Deshalb bekennt sich diese Industriebranche zu den bestehenden politischen Klimaschutzzielen und ist dazu bereit, weiterhin zielführende Maßnahmen durchzuführen, um den erforderlichen Transformationsprozess zu einer klimaneutralen Industrie konkret zu unterstützen.
Dies erfordert, dass insbesondere die Produktionsprozesse auf der Grundlage nichtfossiler Energieträger elektrifiziert werden. Voraussetzung dafür ist ein beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien, der Übertragungs- und Verteilnetze sowie der Speicherkapazitäten und Backup-Kraftwerke zum Ausgleich entstehender Volatilitäten. Ein entsprechendes Konzept, das auch mit hinreichenden unbürokratischen Fördermaßnahmen zu unterlegen ist, sollte zeitnah von der Bundesregierung vorgelegt und mit der Wirtschaft und den Sozialpartnern auch mit Blick auf Förderung von Tarifbindung und Standorterhalt abgestimmt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dieses Schreiben wurde auch an folgende Bundesminister versendet:
Dr. Robert Habeck Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz
Hubertus Heil Bundesminister für Arbeit und Soziales
Christian Lindner Bundesminister der Finanzen
Cem Özdemir Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft