BVE-Stellungnahme zum Richtlinienvorschlag zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU

BVE-Stellungnahme zum Richtlinienvorschlag zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen

Einleitung

Eine nachhaltigere Ernährung erfordert eine Kaufentscheidung, die die verschiedenen Aspekte von Nachhaltigkeit berücksichtigt, denn das Lebensmittelangebot richtet sich nach der Wahl und Zahlungsbereitschaft des Verbrauchers. Um den Konsum und die Nachfrage auf allen Stufen der Lebensmittelwertschöpfungskette in Zukunft noch nachhaltiger zu gestalten, ist auch der Verbraucher ein unverzichtbarer Akteur auf dem gemeinsamen Weg zur Gestaltung nachhaltigerer Lebensmittelsysteme. Neben dem angebotsseitigen Engagement der Wirtschaft, bedarf es daher in gleichem Maße einer Mitwirkung des Verbrauchers sowie aller weiteren Akteure d. h. eines verantwortungsvollen Umgangs sämtlicher relevanter gesellschaftlicher Akteure mit den Ressourcen vom Acker bis zum Teller.

Damit Verbraucher in der Lage sind, bewusste nachhaltigere Kaufentscheidungen zu treffen, benötigen sie ausreichende und glaubhafte Informationen sowie das Verständnis, um diese einordnen zu können. Als Verbraucherinformationen stehen neben der umfangreichen Pflichtkennzeichnung auf Lebensmitteln, freiwillige Informationsangebote, z. B. auf der Verpackung, digital oder anderen Wegen, sowie staatliche oder private Qualitäts- oder Nachhaltigkeitssiegel zur Verfügung.

Die deutsche Ernährungsindustrie bekennt sich dazu, insbesondere die Transparenz über den ökologischen Fußabdruck von Lebensmitteln und Getränken – als aussagekräftiges Instrument einer ganzheitlichen Bewertung von Umweltleistungen von Produkten – zu erhöhen und den Verbrauchern klare und zuverlässige Informationen zur Verfügung zu stellen. Die BVE unterstützt daher die Absicht der Europäischen Kommission mittels des Richtlinienvorschlags „zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen“ die Verbraucherinformationen zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsleistungen von Produkten zu verbessern und damit EU-weit harmonisierte Regeln für die freiwillige Bereitstellung von Umwelt- und Nachhaltigkeitsinformationen zu Produkten für die Verbraucher zu schaffen.

Die BVE begrüßt es, wenn Verbraucher in die Lage versetzt werden, umweltverträglichere Entscheidungen zu treffen und dabei gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer in der EU geschaffen werden. Durch einen verhältnismäßigen Rechtsrahmen, kann die EU dazu beitragen, den Markt in Richtung nachhaltigerer Produkte zu lenken und die Unternehmen bei der kohärenten Verbesserung ihrer Lieferketten zu unterstützen. Dies wird den Austausch glaubwürdiger Informationen fördern, irreführende Behauptungen verhindern und die Bereitstellung solcher Informationen für die Verbraucher auf dem Binnenmarkt harmonisieren. Es muss dabei jedoch darauf geachtet werden, dass Umweltaussagen nur auf nachvollziehbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen erfolgen dürfen, die für alle Hersteller in der Europäischen Union gleichermaßen gelten, um einer Wettbewerbsverzerrung entgegenzuwirken. Für einen nachhaltigeren Einkauf sollten daher die gleichen Maßstäbe für die Auslobung von Umwelteigenschaften der Produkte festgelegt werden, da es sonst an jeglicher Vergleichbarkeit fehlt.

Die vorgelegte Richtlinie ergänzt durch die Initiative für Umweltaussagen und die Initiative für nachhaltige Produkte sollten kohärent ausgestaltet diesen verhältnismäßigen Rechtsrahmen schaffen. Zur Ausgestaltung des oben genannten Richtlinienentwurfes möchten wir daher folgende Anmerkungen übermitteln:

Verhältnismäßiger Anwendungsbereich:

Der Richtlinienentwurf zielt nicht nur auf die Regulierung von ökologischen Umweltaussagen (bspw. basierend auf Ökobilanzen oder EU Umweltfußabdruck (PEF)), sondern auch auf Informationen über die soziale Nachhaltigkeit von Produkten, beispielsweise über Arbeitsbedingungen, Wohltätigkeitsbeiträge oder Tierschutz. Sofern nicht entsprechende überprüfbare Nachhaltigkeitssiegel betroffen sind, sieht die BVE die von dem Richtlinienvorschlag geforderte objektive und methodische Nachweisbarkeit von freiwilligen Aussagen zu sozialen Nachhaltigkeits- und Umweltaspekten als praktische Herausforderung an. Die BVE empfiehlt daher die vorgeschlagene Regulierung zu Umweltaussagen auf freiwillige Aussagen zu ökologischen Produkteigenschaften (bspw. basierend auf Ökobilanzen oder EU Umweltfußabdruck (PEF)) zu begrenzen, da hier zumindest einige Methoden zur objektiven Bewertung und Überprüfung verfügbar sind.

Ferner möchte die BVE darauf hinweisen, dass Unternehmen zur Sicherstellung nicht-irreführender Verbraucherinformationen zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsleistungen auf ebenso verlässliche Informationen der Partner in der Lieferkette angewiesen sind und lediglich Entscheidungen in ihrem eigenen Geschäftsbereich verantworten können. Insofern sollten die jeweiligen Verantwortlichkeiten auf den verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette in der ergänzenden Initiative für Umweltaussagen berücksichtigt werden, damit auch Umweltaussagen basierend auf Ökobilanzen oder EU Umweltfußabdruck (PEF) in der Kommunikation von Unternehmen zu Unternehmen vor Irreführung geschützt werden.

Klarstellung von Begriffen:

Die vorgeschlagene Richtlinie sollte größtmögliche Klarheit und damit Rechtssicherheit für Unternehmen gewährleisten. Daher erscheint eine Einschränkung des Auslegungsspielraumes einzelner Begriffe geboten. So sollte näher definiert werden, was unter „Vorteilen für den Verbraucher“ sowie „unabhängigen Überwachungssystemen“ bei den vorgeschlagenen Änderungen von Artikel 6 der Richtlinie 2005/29/EG gemeint ist. Auch zu konkretisieren ist im geänderten Artikel 2 der Richtlinie 2005/29/EG, was eine „anerkannte hervorragende Umweltleistung“ darstellt. Erst mit einer angemessenen Klarstellung wird eine Rechtsfolgenabschätzung möglich.

Zulässigkeit mehrerer Informationskanäle sowie unternehmensinterner Audits gewährleisten:

Der Richtlinienentwurf erklärt, dass „allgemeine Umweltaussagen“ schon dann vorliegen, wenn die zugrundeliegende ausdrückliche Umweltaussage nicht auf demselben Medium klar und in hervorgehobener Weise angegeben ist. Dabei verkennt der Gesetzgeber, dass freiwillige Informationen über Umweltleistungen den Verbrauchern auf unterschiedliche Weise zur Verfügung gestellt werden können und bedingt durch Limitierungen in der Praxis (bspw. begrenzter Platz auf Verpackungen), auch müssen. Wenn bspw. ökologische Umweltaussagen basierend auf Ökobilanzen oder PEF bspw. über ein Etikett mit einem Punktesystem (z. B. A-E-Skala, Farbcodierung) bereitgestellt werden, sollten die EU-Regulierungsbehörden den Herstellern erlauben, zusätzliche Informationen zu den wichtigsten Umweltverträglichkeitsindikatoren auch auf anderen Medien anzuzeigen, ohne die Umweltaussage an sich als „allgemein“ zu bewerten. In jedem Fall sollten alle Informationen für die Verbraucher nachprüfbar, glaubwürdig, wissenschaftlich zuverlässig, transparent und für den Verbraucher leicht verständlich sein. Die Bereitstellung von Informationen über den ökologischen Fußabdruck von Lebensmitteln und Getränken für die Verbraucher sollte nicht auf Kosten anderer wichtiger Informationen, wie z. B. des Nährwerts, erfolgen. In diesem Zusammenhang sollten alternative Informationskanäle zur Produktkennzeichnung, insbesondere digitale Plattformen, in Betracht gezogen werden dürfen.

Ferner fordert der Richtlinienentwurf, dass „Umweltaussagen über die künftige Umweltleistung“ nicht ohne ein unabhängiges Überwachungssystem getroffen werden dürfen und anerkennt Zertifizierungssysteme nur, sofern sie vom Gewerbetreibenden unabhängig sind. Dies kann zur Unzulässigkeit in der Praxis lange bewährter Überprüfungs- und Zertifizierungssystemen führen, da durchaus auch unternehmensinterne Audits oder Audits in Partnerschaft von Unternehmen mit anderen Stakeholdern etabliert und bewährt sind. Zudem stellt sich die Frage, warum Zertifizierungssysteme nur für privatwirtschaftliche Nachhaltigkeitssiegel jedoch nicht für staatliche vorgeschrieben werden. Hier sollte im Interesse einer nachprüfbaren, glaubwürdigen, wissenschaftlich zuverlässigen und transparenten Verbraucherinformation eine Gleichbehandlung staatlicher wie privatwirtschaftlicher Nachhaltigkeitssiegel hinsichtlich der Zertifizierung sichergestellt werden.

Grenzen der Vergleichbarkeit berücksichtigen:

In der Agrar- und Ernährungswirtschaft gibt es einen Trend, Produkte auf der Grundlage von Umweltinformationen zu vergleichen. Ein solcher Vergleich kann auch dazu beitragen, den ökologischen Fußabdruck von Produkten zu verbessern, wenn er gut und glaubwürdig durchgeführt wird. Der Vergleich kann für ein und dasselbe Produkt im Laufe der Zeit, für verschiedene Produktrezepte, für verschiedene Produkte in einem Regal usw. durchgeführt werden. Um einen angemessenen und zuverlässigen Vergleich zwischen Produkten zu gewährleisten, müsste das Verbraucherverhalten beim Kauf von Lebensmitteln und Getränken nach dem ökologischen Fußabdruck in Übereinstimmung mit bspw. der PEF-Methode berücksichtigt werden. Gegenwärtig gibt es unzureichende Kenntnisse über die angemessene Modellierung und Bewertung des Verbraucherverhaltens im Zusammenhang mit dem ökologischen Fußabdruck. Die Richtlinie sollte daher bezüglich der Änderung der Richtlinie 2005/29/EG in Artikel 2 und 7 zwingend die derzeitigen Grenzen der Vergleichbarkeit von ökologischen Fußabdrücken von Lebensmitteln berücksichtigen.

Abschließende Bemerkungen:

Die Messung der Klimaauswirkungen von Prozessen in der Lebensmittelkette ist für die Ernährungsindustrie nicht nur relevant, um Einsparziele zu erkennen, sondern auch um die eigene Klimabilanz glaubhaft gegenüber Verbrauchern zu kommunizieren. Die Erstellung der Klimabilanz einzelner Produkte ist kostenintensiv und erfordert umfassende und belastbare Daten sowie einheitliche und damit vergleichbare Berechnungsmethoden, die gleichzeitig individuelle Besonderheiten von einzelnen Produkten nicht vernachlässigen dürfen. Die Ernährungsindustrie unterstützt eine einheitliche Messung der Klimabilanz sowie deren freiwillige Kommunikation gegenüber dem Verbraucher unabhängig von der Verpackung. Damit und bevor der EU Umweltfußabdruck (PEF) zukünftig eine Basis für einheitliche Messungen bilden kann, muss weiter an einer Anwendbarkeit für alle Produkte sowie der Vergleichbarkeit geforscht und auch für KMU einfach handhabbare Methoden zur Verfügung gestellt werden. Auch muss für eine flächendeckende Anwendung des PEF bzw. von Ökobilanzen der Staat bei der Bereitstellung von verlässlichen Sekundärdaten (über entsprechende Datenbanken) unterstützen.

Ferner bleibt festzuhalten, dass die Befähigung zu einem nachhaltigeren Konsum nicht nur durch Regulierung von Verbraucherinformationen, sondern vorrangig auch durch Verbraucherbildung gefördert werden muss. Die Vermittlung entsprechender Kenntnisse muss insbesondere in den schulischen Lehrplänen vorgesehen werden. Ergänzende politische Maßnahmen zur Verbraucherbildung zu nachhaltigerem Konsum erachtet die Branche daher als zielführend.