Nachdem der Höhepunkt der Corona-Krise mit ihren weitreichenden Folgen und wirtschaftlichen Verwerfungen in absehbarer Zeit überwunden sein wird, muss Deutschland als Standort für die Ernährungswirtschaft wieder fit gemacht werden. Deutschland braucht jetzt einen Neustart!
Die Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie hat einen Katalog mit essenziellen Forderungen aufgestellt, die unserer Volkswirtschaft jene Wachstumsimpulse geben können, die für einen kraftvollen Neustart unabdingbar sind. Die drei Kernpositionen finden Sie nachfolgend.
Der Ernährungsindustrie Wertschöpfung ermöglichen
Die Corona-Pandemie hat zu Mehrkosten und Steuerausfällen geführt. Die Krisenbewältigung darf nicht auf Kosten der Ernährungsindustrie stattfinden. Vielmehr müssen Arbeitsmarkt und Kaufkraft der privaten Haushalte gestärkt werden, damit konsumabhängige Sektoren Verluste aufarbeiten können. Auf neue fiskalische Belastungen für Lebensmittel wie ertragsmindernde Mehrwertsteuererhöhungen oder marktverzerrende Lebensmittelverbrauchsteuern ist zu verzichten. Der ermäßigte Umsatzsteuersatz soll ausnahmslos auf alle Lebensmittel angewendet, Bagatellsteuern abgeschafft werden. Die wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen für Lieferanten müssen angesichts eines stark konzentrierten Einzelhandel weiter verbessert werden. Jegliche Eingriffe des Staates in den Markt müssen verhältnismäßig und wissenschaftlich fundiert sein. Reduktionspotenziale brauchen verlässliche wirtschaftliche Kompensationsmöglichkeiten. Alle Maßnahmen, die eine ideologisch begründete Konsumlenkung zum Ziel haben und den Verbraucher bevormunden, lehnen wir ab.
Innovation und Technologie als Schlüssel für Nachhaltigkeit begreifen
Innovationsfähigkeit ist der Schlüssel zu nachhaltigem Wachstum. Dazu gehören Ansätze der Bioökonomie oder Kreislaufwirtschaft, neue Technologien wie zellulare Lebensmittel oder grüne Genforschung sowie neue Technologien beim Ressourceneinsatz – von der Herstellung, über die Verpackung bis zur Logistik. Es müssen rechtssichere Forschungs-, Anwendungs- und Transparenzregeln für neue molekularbiologische Züchtungstechniken geschaffen werden. Die nächste Bundesregierung braucht den Mut, neue Technologien zuzulassen statt sie nieder zu regulieren. Nachhaltige Entwicklung ist auf innovative, wettbewerbsfähige und wirtschaftlich starke Unternehmen angewiesen, deren soziale Leistungen anerkannt und angemessen gewichtet werden. Innovation und Investition in Nachhaltigkeit müssen finanziell gefördert werden. Die Gestaltung nachhaltigerer Lebensmittelsysteme muss mit marktwirtschaftlichen Grundsätzen vereinbar sein. Eine „one size fits it all“-Lösung wird der Komplexität nicht gerecht. Die BVE fordert die Ausstattung entsprechender Förderprogramme für große thematisch ausgerichtete Verbundvorhaben und Forschungscluster. Die Politik muss einen vielseitigeren Einsatz von Rezyklaten in Lebensmittelverpackungen rechtlich ermöglichen.
Europäische Harmonisierung statt nationaler Alleingänge
Die BVE spricht sich gegen nationalen Alleingänge etwa beim Lieferkettengesetz aus, wenn parallel an Gesetzen zum selben Sachverhalt auf EU-Ebene gearbeitet wird. Umweltweltbezogene und menschenrechtliche Sorgfaltspflichten müssen EU-weit einheitlich geregelt sein. Die Diskussion um die Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte hat gezeigt, dass unternehmerische Sorgfaltspflichten nur in der EU mit einem größtmöglichen Maß an Harmonisierung umgesetzt und vollzogen werden können, um unnötige Bürokratie und Verzerrungen im Binnenmarkt zu vermeiden. Es muss sichergestellt werden, dass ein europäischer Rechtsrahmen für die Sorgfaltspflicht auf bestehenden, anerkannten Standards für die Unternehmensberichterstattung, Beschwerdemechanismen und Zertifizierungen aufbaut oder diese weiterentwickelt und Unternehmen keine doppelten Berichtspflichten auferlegt werden. Eine neue Bundesregierung muss als Korrektiv für Doppel- und Dreifachstrukturen auf EU-Ebene fungieren und übergriffige Bürokratie abbauen. Umfang und die Dauer von Zulassungsverfahren im Lebensmittelbereich, etwa im Rahmen der Health-Claims-Verordnung und der Novel Food-Verordnung, müssen vereinfacht und verkürzt werden. Die Kohärenz zwischen Deutschland und der EU sowie innerhalb der EU-Kommissionen muss gewährleistet sein. Es kann nicht sein, dass vier Kommissionen parallel an unterschiedlichen Berechnungsmodellen für einen CO2-Fußabdruck von Lebensmitteln arbeiten – mit abweichenden Anforderungen und eigenen Berichtsstandards, die die Unternehmen alle erfüllen müssen. Die neue Bundesregierung muss in Brüssel nachdrücklich die Interessen der deutschen Ernährungswirtschaft vertreten. Alle zukünftigen Handelsabkommen müssen Nachhaltigkeitskapitel mit wirksamen Durchsetzungsmechanismen enthalten, die zu der Agenda 2030 und international vereinbarten Nachhaltigkeitszielen beitragen.