Am Anfang stand ein Zollkonflikt. Sechzig Ölmüller trafen sich im Frühjahr 1900 in Berlin, um ihre Stimme gegenüber der Politik zu bündeln. Heute, 125 Jahre später, sieht sich der Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland – OVID – mit einer nahezu identischen Herausforderung konfrontiert. Wieder stehen Handelsbarrieren im Raum. Wieder ist der internationale Agrarhandel aus dem Gleichgewicht geraten.
Ab Dezember 2025 droht ein EU-Zoll von 25 Prozent auf importierte US-Sojabohnen. Für die deutsche Ernährungs- und Futtermittelindustrie wäre das ein harter Schlag: Etwa die Hälfte der in die EU eingeführten US-Sojabohnen wird in Deutschland verarbeitet – nicht nur für die Tierhaltung, sondern auch für eine Vielzahl von Produkten der Ernährungsindustrie.
Jaana Kleinschmit von Lengefeld, Präsidentin von OVID, warnt vor einer Eskalation: „Heimische Erzeugung und Agrarimporte sichern die Versorgung der Bevölkerung und Wirtschaft.“ Die EU dürfe sich nicht vom freien Warenverkehr verabschieden, sagt sie. Denn: „Regulierungen, die den freien Handel einschränken, wie zum Beispiel auch bürokratische und diskriminierende Lieferkettengesetze, schaden allen.“
Kurs auf Resilienz: Die Ölpflanzenstrategie 2030
Als Gegenentwurf zum wachsenden Protektionismus haben OVID und die Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (UFOP) die „Ölpflanzenstrategie 2030“ vorgelegt. Darin sind verschiedene Kernforderungen gebündelt, die unsere Versorgungssicherheit stärken und die Landwirtschaft krisenfester machen soll. So soll der Anbau von Ölpflanzen und Leguminosen deutlich ausgeweitet werden – auf jeweils zehn Prozent der Ackerflächen. Damit soll nicht nur die Biodiversität gefördert, sondern auch die heimische Proteinversorgung gestärkt werden. Ziel ist ein Selbstversorgungsgrad von 50 Prozent – derzeit liegt dieser bei rund 30 Prozent.
Gleichzeitig verlangen die Verbände politische Rückendeckung für moderne Züchtungsmethoden und effektiven Pflanzenschutz. Ohne Innovation, so die Einschätzung, werde die europäische Landwirtschaft international nicht wettbewerbsfähig bleiben. Auch eine verlässliche Energiepolitik sei entscheidend: Die energieintensive Ölsaatenverarbeitung brauche kalkulierbare Rahmenbedingungen, um in Deutschland zukunftsfähig zu bleiben.
Besonders kritisch sehen OVID und UFOP die zunehmende regulatorische Belastung durch EU-Vorgaben wie die Entwaldungsverordnung (EUDR). Der Bürokratieaufwand sei vielerorts nicht mehr praxistauglich. Statt neuer Handelshemmnisse braucht es laut den Verbänden eine stärkere Öffnung des internationalen Agrarhandels – begleitet von langfristiger Planungssicherheit für Biokraftstoffe.
Vergangenheit als Lehrmeister
125 Jahre nach der Gründung des ersten Ölmühlenverbands steht fest: Die Herausforderungen haben sich gewandelt. Die Antwort darauf bleibt jedoch erstaunlich konstant. Nicht mehr Autarkie, sondern Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg ist der Weg in die Zukunft. Der freie Agrarhandel – einst Gründungsimpuls, heute wieder Zankapfel – bleibe unverzichtbar für das Überleben einer modernen Landwirtschaft. Geschichte kann ein guter Ratgeber sein.