„Wichtig ist, so flexibel wie möglich zu sein“

Frank Norman Hirt ist Leiter für Marketing und Vertrieb bei Stuttgart Importação e Distribuição Ltda. Im Interview mit uns spricht er über den Stellenwert von deutschen Produkten in Brasilien, worauf der brasilianische Konsument besonders viel wert legt und auf welche brasilianischen Vorschriften sich deutsche Hersteller beim Markteintritt von Anfang an vorbereiten sollten.

Quelle: Ivan Schulze

Frank Norman Hirt: Die Marke „Made in Germany“ ist in Brasilien schon lange für höchste Qualität bekannt. Was sich mit der Zeit aber geändert hat, ist, dass viele lokale Hersteller die Qualität verbessert haben und sich somit der deutschen Qualität näherten. Generell hat sich die Qualität von den Produkten in Brasilien verbessert. Deswegen muss der Verbraucher nicht mehr unbedingt ein importiertes Produkt kaufen, um eine gute Qualität zu bekommen. Darüber hinaus verbindet man hier in Brasilien einwandfreie Produktions- und Sozialstandards sowie transparente und entwaldungsfreie Lieferketten mit deutschen Produkten. Aus diesen Gründen möchten die Verbraucher sehr gerne häufiger „Made in Germany“ Produkte kaufen!

BVE: Welche Produkte werden besonders mit Deutschland in Verbindung gebracht?
Frank Norman Hirt: Vor allem Produkte, die mit hoher Technologie hergestellt werden, wie Autos und generell Maschinen an erster Stelle. Im Lebensmittel-Segment sind es Bier und andere Produkte, die mit dem Oktoberfest zu tun haben. Außerdem sind traditionelle Süßwaren wie Marzipan, Lebkuchen, Schokolade und Gebäcke sehr beliebt in Brasilien.

BVE: Welche Besonderheiten hat der brasilianische Konsument?
Frank Norman Hirt: Brasilianische Verbraucher, die genug Kaufkraft haben, um importierte Produkte kaufen zu können, suchen häufig besondere Produkte, die für sie selbst eine neue Erfahrung sind oder im Familien- oder Freundeskreis etwas Besonderes bieten; eben etwas Anderes als das, was regulär im Markt zu bekommen ist. Sie möchten gerne etwas über das Produkt wissen, um auch etwas darüber Freunden und Familie erzählen zu können. Dazu kommen viele neue Nischen, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben und für viele Brasilianer immer wichtiger werden, wie gluten- und laktosefrei, vegetarisch, vegan, bio, nachhaltig, etc.

BVE: Welches Potenzial hat der brasilianische Markt für die deutsche Ernährungsindustrie?
Frank Norman Hirt: Brasilien hat grundsätzlich ein großes Potenzial für deutsche Unternehmen, aber das Land hat auch selbst eine gut entwickelte Industrie. Die deutsche Industrie hat den Vorteil, dass sie stark entwickelt ist, mit höchster Technologie und Steuervorteilen für den Export. Es gibt in Brasilien große Supermarktketten, die Ihre Eigenmarken im Ausland herstellen lassen, was gute Verkaufsmöglichkeiten eröffnet. Wir vertreten zum Beispiel schon seit vielen Jahren die Firma Lambertz und unterstützen sie darin, eine bedeutende Verkaufszahl in Brasilien zu erreichen, sowohl mit Produkten unter der Lambertz Marke als auch durch Cobranding mit den Marken der Handelsketten. Normalerweise zeigt aber eine Handelskette erst Interesse, wenn die Produkte schon in Brasilien über Importeure verkauft werden und eine gewisse Relevanz besitzen. Wenn das Produkt noch nicht im Markt bekannt ist, dann ist meistens der Weg über einen Importeur am leichtesten.

BVE: Mit welchen Herausforderungen sehen sich die Unternehmen im brasilianischen Markt konfrontiert?
Frank Norman Hirt: Herausforderungen, Überraschungen und Emotionen sind in Brasilien alltäglich. Dafür sorgt nicht nur das komplizierte Steuersystem, welches sich mit keinem anderen Land der Welt vergleichen lässt, sondern auch das lockere brasilianische Verhalten, das viel Freude, aber auch viel Ärger verursachen kann.
Hinzu kommen verschiedene Vorschriften. Produkte, die aus tierischen Zutaten hergestellt werden, müssen erst im brasilianischen Landwirtschaftsministerium registriert werden, was etwas kompliziert ist. Neue Gesetze, die oft neue Herausforderungen mit sich bringen, sind nicht selten. In Brasilien tritt zum Beispiel im Moment ein neues Gesetz in Kraft, welches die Lebensmittelindustrie stark betrifft. Ähnlich wie in Chile müssen jetzt Lebensmittelfirmen in Brasilien große Lupen mit Warnungen vor hohen Inhalten von Zucker, Fett und Salz auf die Vorderseite von den Verpackungen drucken. Für alle Produkte muss eine Nährwerttabelle nach brasilianischen Vorschriften eingesetzt werden, die nur für Brasilien verwendbar ist.
Firmen, die gut mit der brasilianischen Instabilität umgehen können, haben gute Chancen, sich hier zu entwickeln.

BVE: Was würden Sie Unternehmen raten, die den brasilianischen Markt erschließen möchten?
Frank Norman Hirt: Wichtig ist, so flexibel zu sein wie möglich. Die Entwicklung mehrerer Marken, die an verschiedene Importeure/Handelsketten mit einer Exklusivität für Brasilien angeboten werden, kann zum Erfolg führen. Denken Sie daran, dass der Importeur in eine neue Linie investieren muss, um erst später davon zu profitieren. Rechnen Sie die Kosten für die Etikettierung von zwei Aufklebern (vorne die Lupe und hinten die brasilianischen Texte und Nährwerte) ein und bieten Sie diesen Service an. Oder finden Sie einen Importeur, der sich schon mit den Etiketten beschäftigt und für den das kein Problem sein würde am Anfang.

BVE: Vielen Dank für das Interview!

Der Außenwirtschaftstag der Agrar- und Ernährungswirtschaft wird gefördert durch die Landwirtschaftliche Rentenbank.

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