Intelligente Daten: „Es gibt noch viel zu tun.“

Big Data, KI und Machine Learning halten immer mehr Einzug in die Lebensmittelindustrie. Intelligente Datenanalysen können die Lebensmittelsicherheit verbessern, Abfall minimieren und für mehr Transparenz in der Lieferkette sorgen. Michael Pfau von INFOR sagt: „Die Bereitschaft und das Interesse sind groß.“ Allerdings fehle es oft an Offenheit und am Verständnis, was alles möglich ist und was es dafür braucht.

Quelle: infor

BVE: Infor ist weltweit aktiv und bietet Softwareprodukte für fast alle Branchen. Was sind speziell Herausforderungen in der Ernährungsindustrie?

Michael Pfau: Das ist zum einen die Kostentransparenz. Während momentan in vielen Bereichen die generellen Kosten steigen, gibt es bei Nahrungsmittelproduzenten und Händlern meist ein riesiges Potential zur Margenoptimierung. Allerdings gibt es in dem Bereich kaum etwas zu optimieren, wenn zunächst keine Transparenz darüber herrscht, wo dies überhaupt möglich ist. Viele Unternehmen möchten zum Beispiel die Logistikkosten senken, indem sie besser planen, haben allerdings die wirklichen Herausforderungen ganz am Anfang des Prozesses in der Bedarfsplanung. Es müssen einfach integrierte Prozesse her, ohne diese geht es nicht.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Abfallreduzierung. Viele Unternehmen erfassen Qualitätsprüfungen fast kaum digital und auch selten durch die gesamte Wertschöpfungskette. Man nutzt diese Proben auch sehr oft nur, um die Rohstofflieferungen zurückzuweisen, oder eine Nachverfolgung zu machen, wenn es zu einem Kontaminierungsvorfall kommt. Grundsätzlich kann man durch eine kontinuierliche Qualitätserfassung aber Preismodelle bauen, um z.B. reifere Früchte zu einem besseren Preis an den Markt zu bringen und das vorausschauend. Rückrufe und Sperrungen sollten heutzutage eigentlich schon automatisiert sein.

BVE: Krisenzeiten, wie wir sie in den letzten Jahren häufig hatten, bringen Lieferketten schnell ins Wanken. Wie kann intelligente Software hier unterstützen?

Michael Pfau: Krisen, wie wir sie in den letzten Jahren erlebt haben, wie Covid-19 oder auch der jetzige Krieg in der Ukraine, lassen sich natürlich schwer vorhersagen. Grundsätzlich ist es für Nahrungsmittelunternehmen aber wichtig, einen professionellen Sales & Operations Planning Prozess zu etablieren, der sich vor allem mit Push-Pull-Prinzipien befasst. Gerade Unternehmen, die mit kurzen Haltbarkeiten arbeiten, sollten das Potenzial eines Forecasting-Prozesses nicht unterschätzen. Außerdem können PLM Systeme dabei unterstützen, Rezepturen zu verwalten und zu optimieren, sollten ersetzbare Rohstoffe nicht verfügbar sein.

Quelle: Gorodenkoff / Adobe Stock

BVE: Verbraucher erwarten zunehmend mehr Transparenz über die Lieferketten von Unternehmen. Wie helfen Ihre Lösungen dabei, dies zu gewährleisten?

Michael Pfau: Wichtig hierbei ist zunächst ein integriertes System, von der Rohstoffannahme bis zum Verbraucher. Dazu zählen Herkunftsdaten, Qualitäten, Zertifikate und vieles mehr. Diese Daten werden in einem sogenannten Attributmodell hinterlegt und können dann transparent von jeglichen Lösungen wie z.B. für Barcodes abgerufen werden.

BVE: Verbrauchervorlieben ändern sich rasant. Können INFOR-Lösungen dabei unterstützen, Produkte schneller zu entwickeln und auf den Markt zu bringen?

Michael Pfau: Produktentwicklung und Innovation ist eines der heißesten Themen bei Nahrungsmittelproduzenten. Die meisten Unternehmen erhoffen sich dadurch eine Erhöhung des Share of Wallet und einen besseren Bekanntheitsgrad. Vor allem durch eine Produktlebenszyklussoftware und Planungswerkzeuge lassen sich Produkte bis zu 30 Prozent schneller auf den Markt bringen. Gleichzeitig sollten Unternehmen aber auch in moderne ERP (Enterprise Resource Planning) und BI (Business Intelligence) Systeme investieren, um Kannibalisierungseffekte zu simulieren und eine Kapazitätsanalyse zu machen. Allergene, neue Rohstoffe oder Farben können eine Produktionsreihenfolge komplett durcheinanderbringen und sollten geplant werden.

BVE: Wenn Sie einen internationalen Vergleich ziehen: Sind deutsche Lebensmittelhersteller offen für neue Technologien wie Machine Learning, Big Data und KI?

Michael Pfau: Die Bereitschaft und das Interesse sind groß, allerdings fehlt oft das Verständnis, dass man zunächst eine gesunde Basis benötigt, um die Daten zunächst erstmal in der richtigen Logik zu sammeln. Nach unserer Erfahrung wird auch heutzutage vieles bereits als Machine Learning bezeichnet, ist aber eine simple Hochrechnung. Gerade größere Unternehmen haben enorm viele Datensilos und brauchen teilweise mehr als ein Jahr, um überhaupt eine richtige Datenstruktur zu liefern. Es gibt noch viel zu tun.

BVE: Wie konkurrenzfähig sind wir hier? Und wie sieht Ihr Blick in die Zukunft aus?

Michael Pfau: Die deutsche Nahrungsmittelindustrie ist sehr konkurrenzfähig, hat daher ein enorm hohes Wertschöpfungspotential durch Digitalisierung. Ich würde mir allerdings wünschen, dass alle Unternehmen partnerschaftlicher an Digitalisierungsprojekte mit den Softwareanbietern herangehen. Gerade weltweit vertretene Softwareanbieter haben ein riesiges Netzwerk und Expertise und können damit sehr gut beraten. Die meisten Auswahlverfahren werden immer noch wie vor 20 Jahren gemacht, bringen eigentlich keinen Mehrwert und benötigen teilweise zwei Jahre, die man auch in Innovation investieren könnte. Infor hat z.B. Kunden, die anhand von Audio-Sensorik die Fütterungsmaschinen von Garnelenfarmen aktivieren, um Futtermittelverschwendung zu vermeiden. Solche Konzepte werden die Zukunft bestimmen.

BVE: Vielen Dank für das Gespräch!

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