Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie begrüßt die vorgeschlagene EU-Zollreform, die eine Vereinfachung und Digitalisierung der Zollverfahren sowie eine Reduktion von Bürokratiekosten zum Ziel hat. Sie fordert insbesondere eine praxistaugliche Integration neuer politischer Anforderungen, wie die Entwaldungs-Richtlinie, in die bestehenden Zollprozesse, um den europäischen Binnenmarkt für Unternehmen effizienter zu gestalten.
Berlin, 11.09.2023
Die Ernährungsindustrie ist der drittgrößte Industriezweig in Deutschland und setzt jeden dritten Euro im Ausland um. Mit einem Anteil von gut 70 Prozent exportiert die Ernährungsindustrie den Großteil ihrer Erzeugnisse in den europäischen Binnenmarkt. Dieser bietet einzigartige Vorteile für den Export von Lebensmitteln: Zollfreiheit, größtenteils harmonisierte Regeln und Standards sowie kurze Transportwege.
Die Europäische Kommission hat am 17.05.2023 ihren Vorschlag für eine umfassende EU-Zollreform vorgelegt. Der Vorschlag beinhaltet unter anderem die Einführung eines EU Customs Data Hub, in dem Zolldaten über eine EU-Zolldatenplattform übermittelt werden sollen. Zudem soll eine europäische Zollbehörde geschaffen werden und für Unternehmen der Trust & Check-Trader Status eingeführt werden, mit dem Unternehmen Einfuhrprozesse selbstständig und einfacher durchführen können sollen. Zusätzlich sollen Veränderungen bei den speziellen Zollverfahren für den elektronischen Handel eingeführt werden.
Empfehlungen der Ernährungsindustrie für die EU Zollreform
Die Zielsetzung der EU-Kommission, mit der EU-Zollreform die Vielzahl zollrechtlicher Regelungen besser abzustimmen und wo möglich zu bündeln und zu vereinfachen, wird von der Ernährungsindustrie ausdrücklich begrüßt.
Die Zollabwicklung im EU-Binnenmarkt muss praxistauglich erfolgen und auch den Erfordernissen kleiner und mittelständischer Betriebe gerecht werden. Daher sollte auch die Absenkung von Bürokratie- und Verwaltungskosten in den Unternehmen mit der EU-Zollreform im Fokus stehen. Das betrifft nicht nur bestehende, sondern auch zukünftige Aufgaben des Zolls und die Verpflichtungen der Unternehmen durch neue Politikfelder, z. B. durch die Umsetzung der Entwaldungs-Richtlinie oder den Carbon Border Adjustment-Mechanismus. Hier gilt es bereits frühzeitig, eine praktikable Integration in die bestehenden oder noch zu schaffenden Systeme aufzunehmen, so dass auch die Umsetzung durch die Unternehmen mitgedacht wird.
- Die mit der EU-Zollreform angestrebte Vereinfachung der behördlichen Prozesse muss zwingend auch in eine Vereinfachung der zollrechtlichen Prozesse in den Unternehmen führen. Insbesondere auch bei der Digitalisierung behördlicher Prozesse muss die einfache Anschlussfähigkeit an die IT-Systeme in den Unternehmen berücksichtigt werden.
- Zu einer Vereinfachung der Zollverfahren würde auch eine Reduktion von Anforderungen beitragen. So sind beispielsweise die Verfahren der aktiven Veredelung von enormer Komplexität geprägt. Hier würde die Reduktion der Komplexität bei Beantragungen von Bewilligungen und in den Abläufen alle Unternehmen entlasten und vielen KMUs überhaupt erst die Teilhabe an diesen Zollverfahren ermöglichen. Im Falle der aktiven Veredelung könnte es bspw. bedeuten, dass bis zu einer gewissen Tonnage (z. B. 500 t) von einer Bewilligung ganz abgesehen wird.
- Eine weitere Verfahrenserleichterung könnte durch eine Digitalisierung der bisher üblichen und papierbasierten Prozesse bei der Warenverkehrsbescheinigung A.TR. für die Türkei erzielt werden.
- Bei Ausfuhrverfahren von dringenden Sonderausfuhren, die nicht Teil der Bewilligung sind, würden z. B. verkürzte Gestellungszeiten für zuverlässige Ausführer zu effizienteren Prozessen in den Unternehmen führen (z. B. von 24 Stunden auf 12 Stunden bzw. Öffnungszeiten des Ausfuhrzollamtes).
- Die Einführung eines einheitlichen digitalen „EU Datenhub“ als zentrale Registrierungsmöglichkeit für export- oder importbeteiligte Hersteller wird begrüßt und sollte für alle an den Aus- und Einfuhrprozessen beteiligten Marktteilnehmer, nicht nur Trust & Check-Trader, zur Verfügung stehen und ihnen dort sämtliche Zollprozesse abbilden. Ausgehend der dort von den Unternehmen einzugebenden Stammdaten, könnten sie unmittelbar neue Bewilligungsanträge oder andere Formulare erstellen. Das Portal würde eine Ablage vorgeben und würde die verschiedenen Vorgänge erfassen. Unternehmen hätten dort die Möglichkeit, den Status eines Vorganges oder Übersichten der eingestellten Informationen einzusehen. Dies würde für Unternehmen eine wesentliche Erleichterung bedeuten, eine gute Übersichtlichkeit bewirken, Transparenz für Überprüfungen gewährleisten und eine Basis für digitale Prozesse schaffen.
Eine Vernetzung der export- und importrelevanten Datenbanken genehmigungspflichtiger Behörden untereinander und mit den Unternehmen wäre eine weitere Erleichterung. Für den Im- und Export von Lebensmitteln und Rohstoffen beanspruchen bislang verschiedene Behörden und Einrichtungen unterschiedliche Daten in unterschiedlichen Systemen. Die Lebensmittelüberwachung greift über das System TRACES bspw. auf Gesundheitsbegleitdokumente zu, die Zollämter auf ATLAS und das EU-Trader-Portal. Aus Unternehmenssicht sind Prozessoptimierungen für Ein- und Ausfuhrabfertigungen dringend erforderlich. So sind z. B. für Ausfuhranmeldungen, die im Rahmen einer einzigen Bewilligung für Verladungen in PL oder NL beim zuständigen deutschen Zollamt abgegeben werden, die statistischen Meldungen manuell in Polen und den Niederlanden abzugeben. Die statistischen Werte liegen der deutschen Zollbehörde jedoch schon vor. Unter dem Stichwort „Single Window“ wurde in der EU bereits die Verknüpfung verschiedener Portale für die unterschiedlichen Behörden sowie für die Unternehmen diskutiert. Konkret fallen darunter z. B. die Plattformen TRACES, ATLAS, EU-Trader-Portal. Aus Sicht der Unternehmen wäre es eine klare Verbesserung, wenn in einem einzigen Portal die wesentlichen Dokumente und Anforderungen für Im- und Exportvorgänge zusammenfließen. - Eine EU-weite Harmonisierung der Anforderungen und Umsetzungspraxis einzelner Zollstellen sollte zudem angestrebt werden. In der Praxis machen Unternehmen immer wieder die Erfahrung, dass Anforderungen an Unternehmen je nach Zollstelle voneinander abweichen. Dies kann zum Beispiel Art und Umfang von Datenübermittlung betreffen. Unterschiedliche Handhabungen zeigen sich oft nach einem neuen ATLAS-Release. Besonders für Unternehmen, die mit verschiedenen Zollstellen zusammenarbeiten, wird die Arbeit dadurch zusätzlich erschwert. Eine Harmonisierung der Umsetzung und Handhabung in den Zollstellen und besonders zwischen den Mitgliedsstaaten wäre daher sehr erstrebenswert.
- Anforderungen durch neue Arbeitsfelder aufgrund politischer Entwicklungen: Bereits jetzt ist es erforderlich, die neuen Anforderungen an die Unternehmen und die Zollverwaltung mitzudenken. Künftig wachsen die Aufgaben des Zolls und die Verpflichtungen der Unternehmen durch neue Politikfelder, z. B. durch die Umsetzung der Entwaldungs-Richtlinie oder den Carbon Border Adjustment-Mechanismus. Hier gilt es bereits frühzeitig, eine praktikable Integration in die bestehenden oder noch zu schaffenden Systeme aufzunehmen, so dass auch die Umsetzung durch die Unternehmen mitgedacht wird.