EU muss dringend Voraussetzungen zur rechtssicheren und praktikablen Durchführung schaffen
Wir stehen hinter dem Ziel, die globale Entwaldung deutlich zu reduzieren und begrüßen die Bemühungen der Europäischen Union, mit der aktuellen Verordnung über entwaldungsfreie Produkte einen messbaren Beitrag zu leisten.
Wir sind bereit, hieran mitzuwirken, stellen aber fest, dass zahlreiche rechtliche, technische und administrative Herausforderungen hinsichtlich der praktischen Umsetzung ungelöst sind.
Zudem ist noch völlig unklar, welchen Beitrag die EU leisten will, um den Herkunftsländern auf internationaler Ebene sowie den vielen betroffenen kleinen und mittleren Unternehmen in Europa zu helfen, die mit der Umsetzung verbundenen Investitionen zu stemmen, die sich insbesondere durch die weitreichenden Rückverfolgbarkeits-Bestimmungen ergeben. Die Bürokratie, der Aufwand und die Kosten, die mit Geolokalisation, Nachweispflichten und Segregation von Warenströmen binnen kürzester Zeit verbunden sind, belasten nicht nur die Herkunftsländer außerhalb Europas, sondern auch Landwirte und Händler in der EU.
Angesichts dieses Handlungsbedarfs haben wir in den letzten Wochen bereits konkrete Fragen und Bewertungen zur Umsetzung der Verordnung in den von uns vertretenen Rohstoffsektoren an die Bundesregierung und die EU-Kommission gerichtet. Neben deren sachgerechter Beantwortung sind aus unserer Sicht in den nächsten Monaten Voraussetzungen zu schaffen, damit die Verordnung rechtssicher und praktikabel durchgeführt werden kann. Hier trägt die EU als Gesetzgeberin die Hauptverantwortung. Wir fordern daher die Kommission auf, zügig mit allen betroffenen Interessengruppen und Herkunftsländern – innerhalb wie außerhalb der EU – zusammenzuarbeiten, um die vielen Fragen, Unklarheiten und Hürden so schnell wie möglich anzupacken:
- In vielen Ländern sind amtliche Informationssysteme und -regeln anzupassen, damit Unternehmen überhaupt erst Zugang zu Informationen und Daten haben, die sie zur Erfüllung der weitreichenden Nachweispflichten benötigen.
- Es müssen auf nationaler Ebene – besonders für alle Erzeuger – die erforderlichendigitalen Systeme verfügbar sein, um vollständige und aktuelle Lokalisationsdaten erheben und weitergeben zu können.
- Es muss klare Vorgaben geben, wie und in welchen digitalen Systemen die Unternehmen die Rückverfolgungsdaten, die zur Erfüllung der Nachweispflichten erforderlich sind, bereitzustellen haben (Datenformat, Upload, Interoperabilität, Datenbank etc.).
- Es muss sichergestellt werden, dass von Erzeugern und Unternehmen zu Kontrollzwecken zur Verfügung gestellte Rückverfolgungs- und Nachweisdaten geschützt sind und nicht an Dritte gelangen.
Angesichts der kurz bemessenen Übergangsfrist von 18 Monaten besteht großer Zeitdruck. Aus den aktuellen Problemen beim unzureichend vorbereiteten Start des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes sollten die Bundesregierung und auch die EU-Kommission ihre Lehren ziehen: Allen von der Verordnung betroffenen Unternehmen müssen rechtzeitig – und das heißt weit vor dem ersten Geltungstag – klare, detaillierte, praxistaugliche und rohstoffspezifische Durchführungsleitlinien zur Verfügung gestellt werden. Auch die digitalen Lösungen für Datenverarbeitung und -transfer benötigen ausreichend Vorbereitungszeit. Nur so ist es den Unternehmen möglich, sich mit der gebotenen Sorgfalt auf die neuen Bestimmungen vorzubereiten. Gleiches gilt für die Behörden auf nationaler und EU-Ebene, die künftig für die Durchführung verantwortlich sein werden.
Geschieht dies nicht, so haben wir große Sorge, dass die Durchführung der Verordnungsbestimmungen unmittelbar zu massiven Störungen der Warenströme und zu einer erheblichen Verunsicherung der Marktteilnehmer weltweit führen wird. Die Folgen wären gravierend – in der EU wie außerhalb: eine massive Verteuerung von Transport und Logistik, ein Anstieg der Verbraucherpreise, Versorgungsengpässe sowie der Ausschluss vieler Landwirte und Handelspartner aus der Lieferkette.
Wir sind bereit, unser Wissen und unsere Erfahrung in komplexen Lieferketten zur Verfügung zu stellen, um die Umsetzung der Verordnung zu ermöglichen und gleichzeitig negative Auswirkungen so weit wie möglich zu minimieren. Wir erwarten aber, dass die EU-Kommission als Gesetzgeberin ihrer Verantwortung gerecht wird und in den nächsten Monaten die Voraussetzungen schafft, damit die Verordnung auch tatsächlich rechtssicher umgesetzt werden kann.
Sollte dies in dem vorgesehenen Zeitplan nicht möglich sein, so ist die Übergangsfrist zu verlängern. Die Verordnung kann erst ihre volle Wirkung entfalten, wenn alle dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind. Wir fordern die EU-Kommission auf, in den kommenden Wochen auf dieses Ziel mit aller Kraft hinzuwirken, um künftig einen wirklich messbaren Beitrag für entwaldungsfreie Lieferketten leisten zu können.
Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie e. V. (BDSI)
Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e. V. (BGA)
Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e. V. (BVE)
Der Agrarhandel e. V. (DAH)
Deutscher Kaffeeverband e. V.
Deutscher Raiffeisenverband e. V. (DRV)
Deutscher Verband Tiernahrung e. V. (DVT)
Deutscher Verband des Großhandels mit Ölen, Fetten und Ölschroten e. V. (Grofor)
OVID Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland e. V. (OVID)
Verein der am Rohkakaohandel beteiligten Firmen e. V.